Lernende Organisation
Im Interview mit Thomas Frühwein

Ich hatte ein sehr inspirierendes Gespräch mit Thomas Frühwein über das Thema New Work und die Bedeutung Lernender Organisationen und Unternehmenskultur in dem Kontext. Das Interview gibt es als Video auf meinem YouTube Kanal und hier zum Nachlesen als Transkript.

Thomas: Ja, heute ein weiteres Thema aus dem ganzen Universum des New Work und zwar habe ich es geschafft, heute Nadja einmal zu gewinnen, mit uns über einen speziellen Aspekt von New Work zu sprechen, nämlich die lernende Organisation.
Nadja Obenaus, wir kennen uns jetzt schon seit einigen Jahren und ich habe einen Teil deiner Reise auch mitverfolgen können. Wir haben uns immer mal wieder unter anderem in Hamburg auf dem Weihnachtsmarkt getroffen, als es noch so einfach möglich war.

Nadja: Das waren noch Zeiten!

Thomas: Ja, das waren noch Zeiten, genau! Nadja, sag’ mal ganz kurz ein paar Worte zu dir: Wer bist du? Was machst du? Und vielleicht auch was waren so die großen Stationen deiner Reise, dass du da angekommen bist, wo du heute bist?

Nadja: Gerne. Lieber Thomas, herzlichen Dank für die Einladung. Ich bin Nadja Obenaus. Ich komme ursprünglich aus Österreich und lebe jetzt schon 12 Jahre in Hamburg. Und das ganz einfach, weil ich aus Liebe hierhergezogen gezogen bin und immer noch verliebt bin in meinen Mann und meine Stadt, sozusagen meine Perle. Genau. Warum eigentlich? Weil wir damals gesagt haben, wir wollen in eine Stadt ziehen, wo wir beide gut leben und arbeiten können.

Arbeiten hat für mich bedeutet, dass ich für Siemens arbeite und damals in einem Joint Venture für Software-Beratung im Mobilitäts-Umfeld tätig war. Das heißt, wir haben Ticketing-Software produziert. Und damals war ganz hoch im Kurs, das war 2009/2010 wo ich hier angekommen bin, da stand E-Ticketing im Raum, ein Innovationsprojekt zu machen. Und wie macht man das, wenn keiner weiß, wie es geht?

Es gibt bestimmte Standards, da kann man sich daran orientieren. Aber den Standard auszuprägen, das machen die Leute, die die Webservices programmieren, die die Interoperabilität zwischen den Unternehmen ausschnapsen. Das sind die Gestalter und das war das Team, in dem ich Teil sein durfte.

Und das war natürlich maximal bewegend. Da kommt man natürlich in Berührung mit Agilität, mit agilen Vorgehensweisen.
Wer weiß was am meisten, wer geht in welchem Thema in die Führung? Allein das ist ja schon ein Projekt. Wir brauchen eine Projektleitung, wir brauchen jemanden, der den Kunden gut kennt. Also haben wir natürlich sofort die Projektleitung aufgesplittet. Mein Kollege, der war schon 30 Jahre mit dem Kunden zu Gange. Und ich, ich war neu dabei, hoch motiviert und wollte gerne innovieren und natürlich mich auch in der Projektleitung üben. Und dann haben wir da ein Tandem gebildet. Also wenn man jetzt zurückblickt, das ist jetzt über zehn Jahre her und wir haben damals schon zu mehreren betrieben.

Das war in Großkonzernen damals auch schon möglich, würde ich sagen. Es waren jetzt 100 Leute, glaube ich in etwa, es ist gerade ein bisschen gewachsen, diese Teil-Unternehmen von Siemens. So ist es dann gekommen, dass ich gesagt habe: Das ist so lässig! Ich will nur mehr in solchen Teams arbeiten, wo wir gemeinsam was ausprobieren müssen, kreativ werden müssen, mit verschiedenen Schnittstellen Partnern zusammenwirken müssen, damit der Service für den Endkunden möglich wird. Du kaufst dein e-Ticket im Bus ohne, dass du Kleingeld rausholst. Das war für mich wirklich bewegend und wird inzwischen übrigens auf ganz Hamburg ausgerollt.

Also es war auch nachhaltig. Hätte auch sein können, dass der Pilot nichts wird. Dann war es trotzdem wichtig, dass wir ihn gemacht haben. Also da habe ich schon gelernt auf diese Art zu arbeiten und weiter zu denken. Ja, und irgendwann war es dann so, dass ich gelernt habe: Ah, es werden Projekte erfolgreich eingeführt und manche werden halt gar nie beendet. Oder Software wird gar nie angenommen und akzeptiert. Und dann bin ich draufgekommen: Ah, ich muss lernen, wie erwachsene Menschen lernen. Weil wenn du eine Software einführst, hat das immer mit Prozessen zu tun. Abläufe, die anders zukünftig funktionieren. Manchmal haben sie weniger Klicks. Manchmal haben sie mehr Klicks.

Dann kommt natürlich die Frage: Ich kaufe eine neue Software und die braucht mehr Klicks. Das kann doch nicht sein, das ist doch keine Verbesserung. Also es gibt manchmal sogar einen gefühlten Rückschritt mit neuer Software für einen kurzen Zeitraum, bis man dann den nächsten Level erreicht hat und das wieder optimiert hat. Und das hat mir eben dann so viel Ansporn gegeben zu sagen: Alles klar, ich muss mich bewegen, ich muss neu lernen und habe dann eine systemische Ausbildung gemacht und noch mehr, Product Owner Zertifizierungen und Scrum Master und agile Coach.
Und dann bin ich so richtig in diese Weiterbildungs-Schiene gekommen. Weil ich gemerkt habe, das, was ich im Studium gelernt habe, damals zehn Jahre davor, das trägt nicht mehr. Das war gut für zehn Jahre. Aber jetzt brauche ich neuen Input. Und ja, und so ist es dann gekommen. Genau.

Und irgendwann habe ich dann gedacht, ich steige aus der Beratung aus und mache mich selbstständig, weil es mir auf einmal wichtig war, meine Kunden selbst auszusuchen. Ich möchte nicht in jedes Projekt gehen, weil die Firma das bestimmt. Ich als Beraterin gehe da rein oder als Coach oder als Scrum Master. Sondern ich möchte gerne selbst auswählen, wo ich reingehe. Das war einer der Auslöser, wieso ich mich dann für die Selbstständigkeit entschieden habe. Und jetzt bin ich drei Jahre hauptberuflich selbstständig.

Thomas: Gut, prima! Zu dem Punkt, den du gerade angesprochen hast, dass du aus deiner Ausbildung, die schon 10 Jahre alt war, dann nicht mehr so schöpfen konntest, wie du wolltest. Dahinter steckt natürlich auch: Wie alt sind eigentlich die Inhalte und Methoden gewesen, mit denen wir das, was wir vor zehn Jahren mitgenommen haben, eigentlich erlernt haben?

Und du kommst aus den Ingenieurwissenschaften, ich komme aus der BWL. In der BWL werden heute endlich Themen besprochen, bearbeitet, die so aus den 50er, 60er Jahren waren, die damals total neu waren. Die kommen jetzt so ganz langsam in den Mainstream rein. Da sieht man mal, welche Zyklen eigentlich beim Wissen da sind und auch beim Lernen da sind.

Und deswegen vielleicht auch ein ganz guter Übergang zum Thema lernende Organisation. Also die Halbwertszeit von Wissen einerseits, aber auch dem Lernen andererseits nimmt natürlich extrem ab, weil einfach das Wissen sich unglaublich potenziert.
Was ist so deine persönliche Definition von lernende Organisation? Was können wir uns darunter vorstellen?

Nadja: Gute Frage, meine Definition. Für mich ist eine lernende Organisation eine Ansammlung von Menschen, die sich gemeinsam darauf geeinigt hat, Zukunftsfähigkeit zu schaffen. Also sie optimiert das System hin auf den Aspekt der Zukunftsfähigkeit, langfristig.

Thomas: Okay, finde ich ja spannend, dass du gar nicht mal darin den Begriff “Wissen” oder “Lernen” gerade erwähnst, sondern es geht insgesamt um Zukunftsfähigkeit. Lernen ist dann vielleicht auch ein Teil davon, der, weil du dich damit beschäftigst, was aus deiner Sicht wahrscheinlich viel relevanter ist, wesentlicher Teil ist. Aber es ist eher Werkzeug, um etwas zu erreichen.

Nadja: Unbedingt, ja! Also lernen zum Selbstzweck macht ja keinen Sinn. Also schon, für mich auch. Aber jetzt wirtschaftlich gesehen vielleicht. Wenn ich sage, ich lerne, weil dieses interessiert mich und jenes interessiert mich. Das ist ja schön, aber wir möchten ja schon auch Werte schaffen. Und ich habe jetzt verstanden, wir sind hier im Kontext der Wirtschaft, sozusagen unterhalten wir uns und deswegen würde ich das so definieren.

Thomas: Was sind das für Inhalte, mit denen du in deinen Projekten zu tun hast, die dann zu lernen sind? Oder die eine Organisation lernen will? Weil meine Erfahrung ist, dass wir ja sehr stark aus dem Spezialistentum kommen und man immer wieder einzelnen Menschen Spezialwissen, Spezialaufgaben, ganz konkrete Arbeitsfelder zuweist. Und wenn ich dann Wissen teile, dann könnte natürlich der Kollege oder die Kollegin sagen: “Äh, was soll ich mit dem Wissen eigentlich? Das ist doch genau dein Bereich. Ich habe doch ein ganz anderes Thema.”

Also was ist da ein anderer Ansatz, eine andere Idee? Wenn du sagst, es geht darum, eine lernende Organisation zu schaffen.

Nadja: Ja, ich glaube, was für mich dahinter ist, ist, wenn ich sage, ich möchte meine Kunden gerne bedienen. Die haben Wünsche und heutzutage ändern sich Wünsche täglich und Bedürfnisse sowieso. Weil die Technologie macht andere Sachen möglich. Alles was ich im Privaten schon nutze, also per Klick, kann ich kaufen zum Beispiel. Und jetzt möchte ich Services natürlich im Unternehmenskontext auch bitte per Klick kaufen können. Nicht nur meine Schuhe oder, was ich so für den täglichen Gebrauch benötige. Und aus diesem Wunsch heraus, dass alles einfach schneller, einfacher zur Verfügung steht, gibt es neue Kunden, Wünsche und Bedürfnisse, die ich als Unternehmen bedienen möchte. Und diese Services aufzubauen gilt es ja erst einmal. Und wenn die dann aufgebaut sind, dann kann man die ständig verbessern, weil sich ja auch die Kundenwünsche ständig ändern.

Ich würde sagen, da muss dahinter stehen, dass alle sagen: “Ich höre mich um, was ist gerade trendig bei meinen Kunden? Ich bin nahe dran. Ich bin am Puls der Zeit, am Puls meines Kunden sozusagen. Und ich gebe Feedback in das Unternehmen hinein. Wir könnten die und die Richtung noch innovieren, weil das kommt grade gut an und ich könnte mir vorstellen, das entwickelt sich in diese Richtung weiter.”

Also gerade, weil weil wir vorhin über den Vertrieb gesprochen haben. Diese Insight, die man hat, wenn man eng mit dem Kunden arbeitet, und dass man die Zwischentöne hört und die Begeisterung spürt. “Es zieht mich in diese Richtung” und als Unternehmen kann ich dann sagen: Ah, dann biete ich was in diese Richtung an. Wir probieren das mal, ob das schon zieht. Und wenn es nicht zieht, dann stellen wir den Service wieder ein oder probieren es in ein paar Jahren noch einmal.” Das glaube ich,  das braucht es einfach. Menschen, die Lust haben, andere Menschen zu begeistern.

Thomas: Also es geht eigentlich gar nicht um das “Ersetzen” von Spezialisten, sondern es geht darum, dass die Organisation als Ganzes ein Allgemeinwissen erreicht, das nach und nach auch steigt. Dass also jemand zum Beispiel, der im Customer Service sitzt, ein gewisses Wissen darüber hat, wie ein Kunde funktioniert, um die Zwischentöne, die dort vielleicht ausgesprochen oder absichtlich auch nicht ausgesprochen werden, besser einsortieren zu können, um das dann wiederum in Wertschöpfung für das eigene Unternehmen zu übersetzen.

Nadja Obenaus im Interview

Nadja: Hm, ja, wenn man Allgemeinwissen dazu sagen möchte, kann man das wahrscheinlich tun. Es klingt sehr allgemein. Man könnte auch sagen, es ist ein sehr spezifisches Wissen, weil es wirklich individuell ist. Der Trend geht ja zum individuellen Service. Ja, also meine Bedürfnisse sind so individuell, wahrscheinlich gibt es keine andere Person, die genau auf die gleiche Art gerne den Service in Anspruch nimmt. Möchte das Unternehmen, dass ich jetzt Kundin bin oder nicht?

Im Zweifel geht es bis zur einzelnen Person, dass man Services individualisiert. Und wenn man auf diesen Trend aufspringen möchte als Unternehmen, dann könnte man sich die Mühe machen und wirklich individuell versuchen herauszuhören , was die Leute begeistert. Und da muss man sich natürlich drauf einigen. Inwieweit wollen wir das tun? Welchen Grad an Individualisierung wollen wir eigentlich unseren Kunden bieten?

Thomas: Und was können wir leisten, ohne uns da sozusagen mit extrem hohen Kosten auch so weit aus dem Fenster zu lehnen, dass wir es zwar schaffen, aber nichts mehr dabei verdienen?

Nadja: Genau. Oder verdienen wir darüber, dass wir nichts verdienen? Das ist auch spannend. Da habe ich letztens dazu einen Beitrag gehört.

Es gibt inzwischen Firmen, die zum Beispiel Impfstoffe günstiger liefern als der Impfstoff in der Herstellung für das Unternehmen kostet. Wie geht das fragt man sich. Die liefern an die UN. Dann wurde eine Studie beauftragt und gesagt: “Ich glaube, die liefern nicht richtig, oder? Das ist doch kein Geschäftsmodell, wo ich mich selbst schröpfe als Unternehmen.” Dann haben die jemanden hingeschickt, einen Berater, der mit der Firma Kontakt aufgenommen hat und gefragt hat: “Wie schafft ihr das? Das klingt irgendwie komisch, wie ihr das hier löst. Wir sind skeptisch, dass wir euch überhaupt als Lieferanten beauftragen, weil das ist ja geschäftsschädigend.” Ja, und dann sagt der: “Das geht ganz einfach. Wir haben neue Maschinen gebaut. Wir haben einen neuen Ablauf erzeugt, größere Konzerne, die Impfstoffe und Medikamente produzieren, die arbeiten im Vergleich zu uns wie Handwerker.  Wir haben das komplett digitalisiert und automatisiert und haben uns einfach einen moderneren Zugang zu dem Wertschöpfung-Prozess  gesichert.” Und das machen sie in der Schweiz in einem ganz kleinen Unternehmen. Sie sind maximal optimiert und deswegen geht das so.

Man könnte dann sagen: Ja, okay, dann musst du es für diesen Preis anbieten, denn du hast trotzdem Kosten, die anfallen. Also damit es zumindest kostendeckend ist. Darauf hat er gesagt: “Ja, das machen wir auch. Wir haben eine Bank gefunden, die gibt uns extrem gute Konditionen und die UN bezahlen uns so schnell, dass wir quasi das Geld auf der Bank haben und mit dem schon wirtschaften können und das gewinnbringend verzinsen können. Und dadurch haben wir diesen Zins-Effekt und können den besten Preis anbieten für unser Produkt. Und der Kunde hat den maximalen Vorteil und wir verdienen trotzdem Geld über diesen Zins-Effekt”.

Thomas: Okay. Da ist halt die Frage, ob man sich überhaupt den Stress machen muss einen Impfstoff zu produzieren. Oder ob man nicht sagen kann ich nehme einfach das Geld, das das ich habe, lege es vernünftig an und verdiene darüber mein Geld. Weil das ist ja das, was unterm Strich übrig bleibt.

Nadja: Ja, da muss man sich halt wieder fragen: Wieso tue ich das? Und die stellen Impfstoffe zur Verfügung. Das heißt, Sie möchten schon dem Gemeinwohl dienen. Der Herr, der diese Firma gegründet hat, der muss das nicht tun. Ja, und da sind wir natürlich auch wieder bei der Frage: Wieso arbeiten wir überhaupt?

Zukünftig werden wir immer mehr zum Glück arbeiten, weil wir es wollen. Nicht, weil wir es müssen. Wenn unser Essen, das ist jetzt ja schon zum Großteil so, von Maschinen produziert wird und kein Mensch muss mehr da Hand anlegen, damit wir voll versorgt sind im Sinne von Ernährung und genug Lebensmittel zur Verfügung zu haben. Das können wir ja zum Glück schon sehr gut automatisiert. Was machen denn alle diese Menschen, die nicht mehr am Fließband stehen?

Thomas: Große Frage. Ja, da sind wir wieder bei der lernenden Organisation.

Nadja: Hoffentlich, das zu bearbeiten und das zur Verfügung stellen, was sie glauben, dass die Welt braucht und was sie selbst bereit sind zu tun, um ein sinnvolles Leben zu führen. Da sind wir beim Thema Sinn.

Thomas: Wie baut man als Unternehmen jetzt so eine lernende Organisation auf? Was sind so die wesentlichen Schritte? Was braucht es dazu, damit das was wird? Was ist deine Erfahrung?

Nadja: Am besten den Flow nicht behindern.

Thomas: Ja, welchen Flow?

Nadja: Na ja, bisher kenne ich das so, dass Leute im Vertrieb exzellent über die Kunden Bescheid wissen. Die haben gute Beziehungen, das Wissen ist ja schon vorhanden. Oder die Ahnung oder die Intuition, wie man das auch immer einstufen möchte, was da vorhanden ist. Und jetzt geht es ja eigentlich darum, wie kann ich das wieder gewinnbringend oder nutzenstiftend verwerten, was eigentlich im Unternehmen ja vorhanden ist.

Viele Leute werden älter, die scheiden dann aus dem Unternehmen aus. Manchmal werden sie sogar rausgedrängt, weil das ist dann günstiger fürs Unternehmen. Nur dass sie dann auch diese Intuition und alles was sie gesammelt haben, an Ahnungen und Wissen auch geht, das wird ihnen dann meistens bewusst, denjenigen, die zurückbleiben, wenn die Leute weg sind. Sie merken dann irgendwie läuft’s nicht mehr so geschmiert wie vorher. Und dann auf einmal beginnt man wertzuschätzen, was da gerade das Unternehmen verlassen hat. Also wenn man schon die Person nicht wertschätzen kann, dann kann man wenigstens das wertschätzen, was sie mitgenommen hat, weil auf einmal gibt’s Reibungsverluste.

Da gehen jetzt viele Firmen her und sagen, wir nähern uns doch wieder an, an die Leute, die vielleicht schon in Rente sind oder in Pension gehen und befragen sie. Oder bitten sie, zurückzukommen zu kommen und noch für Gespräche zur Verfügung zu stehen oder vielleicht sogar in die Ausbildung mit eingebunden zu werden, wenn die noch Lust haben. Manche haben zum Glück Lust und dann kann man das wieder gewinnen. Das ist zum Beispiel jetzt nur das Wissen, dass das Unternehmen verlässt. Da reden wir noch gar nicht davon, was mit dem ist, was wir eigentlich vorhanden haben, dass wir aber nicht nutzen, um zum Beispiel neue Services zu kreieren. Weil wir noch keinen Design-Thinking-Prozess etabliert haben bei uns im Unternehmen und es regelmäßige Sessions gibt, die, wo wir diese wertvollen Hints oder Vermutungen, in welche Richtung die Reise gehen könnte, wiederum in eine kreative Service-Gestaltung oder Geschäftsmodell-Entwicklung einfließen lässt. Das alles braucht es aus meiner Sicht, wenn man das nutzen möchte.

Thomas: Geht es dir bei der lernenden Organisation insgesamt eher um neue Ideen, neue Ansätze, das kreative Element? Oder geht es auch um ganz profane Sachen von: Wie geht das eigentlich?

Du hast gerade das Thema Design Thinking angesprochen, also ein Prozess, der aus dem Designen von Produkten, von Services und so weiter übertragen wird in den Organisationsrahmen, mithilfe dessen man nach einer konkreten Struktur letztlich auf gute Lösungen kommen kann. Also ist es eher das kreative Element, das du persönlich gerne in den Vordergrund stellst? Oder geht es um teilweise auch ganz profane, strukturelle, organisatorische, prozessuale Dinge?

Habe ich alle Perspektiven am Tisch, die ich brauche, um richtig Kunden zu begeistern?

Nadja: Ja, unbedingt geht es darum. Also das eine ist, glaube ich, dass man sich erst einmal eingesteht, wir brauchen kreative Räume. Mit welchen Methodiken wir darin dann arbeiten und ob das jetzt ein neues Geschäftsmodell ist, das wir entwickeln, oder ob es eigentlich nur darum geht, wie arbeiten wir im Team eigentlich zusammen? Und dann kommt man vielleicht zu dem Schluss: Na, eigentlich ist es so komplex, was wir tun und es ist auch kein Projekt mehr, weil es hat keinen Anfang und kein konkretes Ende. Es ist etwas, was wir kontinuierlich die nächsten Jahrzehnte machen werden. Wenn man das mal eingestanden hat, dann können wir darüber reden: aha, wir brauchen eigentlich Menschen, die miteinander, egal ob in einem Team oder über Teamgrenzen hinaus miteinander in verschiedensten Konstellationen zusammenwirken. Und wie machen wir das dann? Haben wir eine Plattform, auf der wir uns austauschen können?  Wo wir, egal ob wir im Homeoffice sind, weil wir gerade von der Pandemie rein gedrängt werden oder weil wir es wollen sogar? Wo wir von zu Hause aus gut zugreifen können oder sogar von überall auf der Welt aus? Was sind unsere Bedürfnisse diesbezüglich?

Zugriff ist wichtig, Accessibility aus meiner Sicht. Auf der anderen Seite aber auch habe ich eigentlich die richtigen Leute? Habe ich alle Perspektiven am Tisch, die ich brauche, um richtig Kunden zu begeistern? Genau das muss man sich fragen, aus meiner Sicht. Und wenn das auch der Fall ist, dann geht es ja eigentlich nur darum, wie können diese Leute maximal gut miteinander im Austausch sein? Und da ist es wieder individuell, weil wenn ich die Leute nicht frage, was sie brauchen, damit sie sich gut austauschen können.  “Möchtet ihr mit Microsoft Teams eure Videos teilen, damit ihr da gegenseitig supergut euer Cross Training betreiben könnt? Oder braucht es was anderes? Womit arbeitet ihr gerne? Womit habt ihr gute Erfahrungen gemacht?” Und ich bin definitiv ein Fan von Multi Tools. Nicht nur im Sport, sondern auch im Unternehmen.

Es gibt nicht das eine Tool, das für alle richtig gut passt. Muss es auch nicht aus meiner Sicht.

Zum Beispiel haben wir gerade die Diskussion, wenn wir in einer Community arbeiten und ich glaube, es braucht mehr Communities, wo wir uns zum Beispiel zum Thema digitale Themen austauschen. Was ist schon alles, was läuft schon alles an Projekten und Initiativen und was weiß nicht alles, was heutzutage hilfreich sein könnte, um dieses Unternehmen in die Zukunft zu führen. Dann haben wir also diese Community.

Wie unterhalten wir uns in dieser Community? Da gibt es zig Tools, die du nutzen könntest. Manche sagen: “Ich schwöre auf Zoom” und ich sage: “Da kannst du asynchron, aber nicht miteinander Historien erzeugen und und und, lass uns doch Microsoft Teams nehmen.” – “Ja, das ist super. Aber ich habe gehört, Yammer ist auch cool. Social Network in der Firma!”

Ich sag: “Ja, wieso nicht? Warum entweder oder, wenn man beides nutzen kann:” – “Beides kann man nicht nutzen. Das ist doch irgendwie doppelt gemoppelt, oder? Ist das noch effizient?”

Es geht nicht immer um Effizienz. Es geht manchmal einfach um einen optimalen Austausch. Die einen tauschen sich halt lieber über Yammer aus und die anderen lieber über Teams und die dritten Zoomen sowieso durch die Gegend. Ja, es ist nun mal so. Ich glaube auch, man muss sich Data Security technisch Gedanken machen als Unternehmen. Das sind sicher Einschränkungen. Dann gibt es noch Gesetze, die wir berücksichtigen müssen und in einem Rahmen, in dem wir uns bewegen, auszuloten, für welche Art der Zusammenarbeit möchten wir welche Tools nutzen. Das gilt es wiederum auszuschnapsen.

Thomas: Das finde ich ganz spannend, weil ich persönlich gerade in den Zeiten des Lock Downs immer wieder bemerkt habe, dass die Anzahl der Kanäle, die man als Führungskraft so im Blick haben muss teilweise ausufern. Also es waren ganz schnell 5, 6, 7 Kanäle bis hin zu: “Habe ich dir doch über WhatsApp geschickt, oder über Telegram”. Und der Nächste sagt Signal muss es sein. Also du sagst, es muss sich erst mal nichts. Das sind genau so zwei Strömungen, die ich sehr spannend finde. Wie sorgt man dafür, das ist natürlich ein ganz anderes Thema, wie sorgt man dafür, dass es nicht ausufert, sodass man quasi seine relevanten Themen noch im Blick hat.

Nadja: Ja, indem wir einfach sagen, wir lernen, mit vielen Kanälen umzugehen. Es ist okay, viele Kanäle zu nutzen. Und wenn wir drohen den Überblick zu verlieren, dann können wir entweder darüber reden, geht es uns allen so? Dann können wir es vielleicht reduzieren. Können wir uns auf 3 einigen? Weil dann braucht man nicht immer alle 7 checken. Und wenn wir aber sagen Nein, aus dem und dem Grund ist es wirklich wichtig, dass wir alle sieben im Blick haben, dann ist das auch legitim. Es gibt in dem Fall kein gut oder schlecht. Es gibt ein langsam und schnell vielleicht. Was lähmt uns und was macht uns zu langsam?

Manche sagen ja auch, Das geht mir viel zu schnell. Was ist die Geschwindigkeit, die wir brauchen, damit alle gut mitgehen können? Weil am Ende sind wir sowieso so langsam wie das letzte Glied. Also die Person, die sagt: “Boah, bei mir dreht sich schon alles, ich klinke mich aus”. Also je mehr Leute überfordert sind mit der Gesamtsituation, desto langsamer werden wir insgesamt.

Das ist ja wie beim Bergsteigen. Du kannst einen Berg nur besteigen, wenn die ganze Crew sozusagen fit ist und konditionell auch miteinander da diesen Aufstieg bewältigen kann. Es bringt mir nichts, wenn ich superschnell losgehe gehe, dann habe ich gleich zwei verheizt. Dann muss ich die zurücklassen oder tragen. Und dann habe ich auf jeden Fall ein schlechtes Gewissen, so oder so. Und das ist halt nicht das Ziel.

Das Ziel ist, dass wir gemeinsam in die Zukunft gehen.

Was haben wir davon? Manche sagen ja: Ich, ich will sowieso Leute abbauen und betreiben natürliche Auslese. Dann bleiben halt die zurück, die dieses Tempo nicht mitgehen können.  Das kann man natürlich auch tun, aber das hängt halt wieder mit den eigenen Wertvorstellungen und Prinzipien zusammen. Und darüber haben wir noch gar nicht gesprochen.

Ich glaube, das steht wieder mit der Führung, sich erst einmal zu überlegen: Was möchte ich eigentlich für ein Unternehmen sein? Geht es darum, inklusiv zu schauen, so viele Leute wie möglich mitzunehmen? Klar ist, ich glaube drei Prozent oder so, gehen in der Digitalisierung sowieso nicht mit. Die würden sich dann einen anderen Job suchen. Da gibt es auch Studien dazu, dass nicht die komplette Belegschaft mit in die Zukunft gehen möchte. Aber abgesehen davon, von denen, die sagen, ich möchte eigentlich gar nicht, so will ich nicht arbeiten, die möchte ich eigentlich gerne mitnehmen. Und dann kann ich mir ja Gedanken machen, das ist ein großer Wert in der Agilität, in welcher Geschwindigkeit? Welche Velocity möchte ich eigentlich an den Tag legen, um ein gesundes Maß anzustreben?

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Thomas: Ja. Welche Rolle spielt deiner Ansicht nach die Unternehmenskultur für eine lernende Organisation? Also ich denke jetzt zum Beispiel gerade wo du das Thema Digitalisierung noch angesprochen hast daran, der Chef von Daimler-Benz hat angekündigt, weitaus früher die gesamte PKW Flotte zu einer elektrischen Flotte umzubauen. Da geht natürlich jetzt die Angst in den Werken um, wo aktuell noch die Verbrenner Motoren gebaut werden. Was passiert erstens mit unseren Arbeitsplätzen, zweitens mit meiner individuellen Zukunft, wenn in Deutschland keiner mehr mehr oder weniger Verbrennungsmotoren baut? Was mache ich? Das habe ich die letzten 20 Jahre gemacht. Also Unternehmenskultur, was spielt das aus deiner Sicht für eine Rolle dabei?

Nadja: Manche Menschen sagen, dass das der zentrale Hebel ist, den wir haben. Also nur weil ich jetzt Angst habe, ist es ja erst einmal kein Problem. Man kann ja sagen, wir gehen mit der Angst um. Jeder, der Angst hat, meldet sich.

Das zu kommunizieren und zu sagen: “Das ist unsere Strategie und wir möchten übrigens mit unserer kompletten Belegschaft in die Zukunft gehen, weil wir wissen, wir brauchen euch. Und auch wenn ihr bisher für den Motor zuständig wart.” Man muss fairerweise sagen, Motoren werden halt auch eingekauft, oder wer fertigt wirklich den Verbrennungsmotor? Die anderen arbeiten meistens an anderen Teilen des Autos. Da könnte man sagen, den Rest vom Auto brauchst du ja trotzdem. Also, auch wenn der Motor ein anderer ist oder der Antrieb ein anderer ist, brauchen wir ja trotzdem die Leute, die die Schrauben sozusagen nochmal fixieren. Was die Menschen tatsächlich noch in der Autofertigung machen sind ja die speziellen Tätigkeiten, die wir noch nicht mit einem Roboter machen können. Wenn man sich heutzutage die Autofertigungen anschaut. Ich weiß das aus erster Hand, weil ich für einige Autoproduzenten gearbeitet habe. Aber wir werden Menschen brauchen, das ist ja mal fix.

Und warum nicht einen Menschen nehmen, der sich schon identifiziert mit der Firma, dass er sein ganzes Leben für diese Firma gearbeitet hat? Der hat doch so viele Qualitäten und wenn der Mensch glaubt, ich kann doch nur diese eine Tätigkeit für dieses Unternehmen machen, dann können wir definitiv dort ansetzen und sagen: “Nein, nein, du kannst noch viel mehr für uns machen. Du siehst es vielleicht jetzt noch nicht, aber wir sehen schon, wo wir dich einsetzen können.”

Das ist aus meiner Sicht auch Kultur, denn ich betrachte Kultur als das Gedächtnis eines Unternehmens. Und das ist, was wir miteinander geschaffen haben. Das heißt, wenn wir viele Feste gefeiert haben, wo wir stolz waren auf, dass wir den ersten Mini rausgelassen haben oder den letzten Trabbi noch verabschiedet haben. Das sind Dinge, die man nie vergisst, weil man gemeinsam Werte geschaffen hat.

Und danach war kein Trabi mehr. Aber es kam was anderes. Wenn wir als Gemeinschaft etwas Neues schaffen wollen, dann können wir das zukünftig auch tun. Da muss keine Angst sein. Wenn das aber auch so ist, dass ich sage, ich werde sicher so und so viele Arbeitsplätze abbauen, dann kann ich auch für diese Leute ein gutes Off-Boarding ermöglichen und mir trotzdem Gedanken machen, wie schaut eigentlich deine Zukunft aus? Ich möchte, dass du gut aufgestellt bist, selbst wenn du nicht mehr für dieses Unternehmen arbeitest. Aber das hat was mit Werteverständnis zu tun. Und das muss man sich halt als Führung des Unternehmens überlegen.

Wenn man will, kann man schaffen, dass man gut im Kontakt ist mit den Mitarbeitern. Auch die, die jetzt vielleicht Angst haben. Dann kann man Kollegen zum Beispiel Coaches zur Verfügung stellen, egal ob man das im Unternehmen macht oder ob man sich eine externe Firma holt. Es gibt Plattformen, die bieten Coaches inzwischen an, ob man mit denen einen Vertrag macht und sagt, bitte begleitet diese Menschen in ihrer Angst. Wenn ich es selbst nicht tun will und die Führungspersonen es auch nicht tun wollen.

Aber erst einmal ist es natürlich verständlich, das ist wie beim Kutscher früher, der auch gesagt hat: “Ich finde es uncool, dass Autos gebaut werden”. Witzig,  jetzt sind es genau die Autobauer, die sozusagen in dieser Situation sind, weil die ja schon mal anderen Leuten komplett das Geschäft versaut haben. Und so wird es immer sein. Das ist einmal fix. Wir finden immer andere Möglichkeiten, uns fortzubewegen. Und ja, der Kutscher hat sich auch weiterentwickelt.

Thomas: Das klingt jetzt so, als wenn eine, nennen wir es einfach mal eine gute Unternehmenskultur, ohne genau zu definieren, was ist jetzt gut, eine gute Unternehmenskultur Grundlage für eine funktionierende lernende Organisation ist. Also ich denke insbesondere daran, dass der Faktor Mensch in den nächsten 20 Jahren definitiv knapp wird. Wir haben geburtenschwache Jahrgänge, die in die Wirtschaft hineingehen. Das heißt, jede Hand wird gebraucht. Jemand hat dazu mal rausgekriegt, dass wir in Deutschland im Jahr 2030 glaube ich, auf etwa 20 Prozent der Arbeitskräfte verzichten werden müssen gegenüber dem Jahr 2019. Das ist eine ganz schöne Menge, 20 Prozent. Und das bei wahrscheinlich gestiegenen Ansprüchen an Ergebnisse, Gewinne und so weiter. Also wir brauchen jede Hand.

Und wenn ich dann höre, dass auf der einen Seite ganze Unternehmensteile, Stand heute, nicht mehr gebraucht werden, die Leute Angst haben, kommt es mir so vor, als wenn es ganz clever ist, langfristig immer wieder in die Unternehmenskultur zu investieren, damit die Bereitschaft der Organisation, einen nächsten Schritt zu gehen, sehr hoch ist?

Nadja: Unbedingt. Die Frage ist nur, wie investiert man in Unternehmenskultur? Ja, das ist so ein nebulöses Konstrukt, so ein Gedächtnis und so. Es gibt auch die Aussage, du kannst Unternehmenskultur nicht direkt beeinflussen. Du kannst natürlich einen Impuls geben und sagen, ich sorge für extrem gute Kommunikation mit den Leuten, die jetzt Angst verspüren. Ich bin dafür da, sie aufzufangen zum Beispiel, und ihnen ein gutes Gefühl zu geben, dass sie definitiv wertvoll sind für dieses Unternehmen. Und wenn sie dann rausgehen und sagen mein Unternehmen ist das Coolste, weil da fühle ich mich, egal ob es mir gut geht oder schlecht geht, gut aufgehoben und deswegen bin ich überzeugt von dem Unternehmen. Dann könnte man natürlich sagen, was habt ihr für eine Unternehmenskultur? Das klingt wunderschön. Für dieses Unternehmen würde ich auch arbeiten wollen.

Ist das dann schon Unternehmenskultur? Nein, wir wissen es nicht, oder? Da gibt es noch verschiedene Aspekte, die man damit betrachten kann. Definitiv würde ich sagen, jeder Invest in die Beziehung zu den Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsam ein Unternehmen bilden, ist ein gutes Invest.

Weil das sind normalerweise die Leute, die die Wertschöpfung und die Wertschaffung, überhaupt die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens gestalten. Ich höre grade das Hörbuch zu Factfulness. Ich weiß nicht, ob du dieses Buch kennst, es ist auf jeden Fall sehr zu empfehlen. Das Buch besteht aus Fakten, globalen Fakten. Und weil du gerade die Bevölkerungsentwicklung angesprochen hast. Wir haben zwar weniger jüngere Leute, die unmittelbar nachrücken, aber wir haben viele fitte ältere Leute. Das heißt der Markt zukünftig sind eigentlich die Leute zwischen 40 und 60 oder zwischen 40 und 70 sozusagen, die die Hauptarbeit leisten. Das heißt, wenn wir alles dafür tun, diese Leute fit zu halten, mit denen gut im Kontakt zu stehen, die von unserer Firma zu begeistern, indem wir ihnen supergute Services in der Firma anbieten, egal wie es ihnen gerade emotional geht, sie sind gut aufgehoben. Wenn wir das versuchen zu vermitteln und es uns gelingt, dass das auch bei den Leuten ankommt, dann hat man zumindest eine gute Chance, dass man die Services, die sich die Kunden dann wünschen, die Endkunden in dem Fall auch erbringen kann.

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Thomas: Ja, ja. Ich glaube, hier ist ein ganz, ganz spannender Gedanke dabei. Lernende Organisation, wie kann man eigentlich messen, ob das erfolgreich ist, ob das was bringt? Was sind Kriterien, die du kennst?

Nadja: Hm, ja, gute Frage. Also ich messe es wirklich daran, was mir die Leute erzählen, wie die Firma denn so wäre. Wenn man so durchgeht als externe Person, kann man natürlich immer gut sagen: Ich hab ja keine Ahnung, wie ist es denn für dich so? Dann höre ich mich in verschiedenen Bereichen um. Wenn das Hand und Fuß hat, wenn das irgendwie stimmig klingt, was die Leute erzählen und ein gemeinsames Bild ergibt, dann könnte man sagen: Okay, das klingt so, als würdet ihr wirklich übergreifend lernen.

Nicht nur die Führungspersonen dürfen sich weiterbilden, sondern vielleicht auch die Leute, die unten in der Poststelle arbeiten oder die Leute, die die Fahrdienste bringen, wenn man jetzt von einem Mobilitäts-Unternehmen spricht. Alle haben Zugang zu Weiterbildung und alle haben Lust auf Weiterbildung. Ja, also dann würde ich sagen, das klingt nach einer lernenden Organisation, die wirklich danach strebt, auch zukünftig relevant zu sein.

Thomas: Jetzt könnte man ja sagen, HR baut einen sehr breiten Weiterbildungskatalog und die Mitarbeiter melden sich dann entsprechend ihren Wünschen, Neigungen oder auch individuell abgesprochenen Zielen mit dem jeweiligen Vorgesetzten. Ist das für dich dann schon eine lernende Organisation oder was braucht es dazu noch?

Woran erkennen wir, dass wir zukunftsfähig sind?

Nadja: Ja, ich glaube tatsächlich, dass diese individuelle Personalentwicklung, wenn man das schon einmal schafft, dass man wirklich idealerweise für sich selbst Entwicklungspfade definiert oder ansonsten mit der Führungsperson oder mit der Personalentwicklung oder wie auch immer man das angeht, das Thema. Hauptsache, jeder und jede hat individuell die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Das ist, glaube ich sicher mal die Nummer eins.

Woran erkennen wir, dass wir zukunftsfähig sind? Was sind denn die Dinge, wo wir sagen, das sind Services, die begeistern unsere Kunden, die werden wir unbedingt anbieten? Und wenn wir es jetzt noch nicht können, dann werden wir lernen, wie es geht und werden es so schnell wie möglich zeitnah anbieten. Wenn ich spüre, dass dieser Geist im Unternehmen ist, es geht wirklich darum, unsere Kunden zu begeistern. Unsere Internen, die Mitarbeitenden, aber auch unsere Externen. Die, die draußen am Markt für uns gute Werbung machen, egal ob sie unseren Service nutzen oder nicht.

Noch besser, wenn sie unseren Service nutzen. Aber selbst die, die nicht unseren Service nutzen, empfinden uns als relevantes Unternehmen. Und das kann man natürlich messen heutzutage. Man schaut einfach: Wie viele Leute gehen auf meine Website, wie viele besuchen meine Social-Media-Kanäle? Was ist meine Konversion Rate? Also ich meine, da gibt es ja heutzutage so viele Kennzahlen, die, man bemühen kann. In Wirklichkeit geht es aber darum, was höre ich und über das Unternehmen, oder? Und wenn das etwas Positives ist, dann könnte es wahrscheinlich auch sein, dass ich eine lernende Organisation bin.

Thomas: Ich denke als ehemaliger Betriebswirtschaftler auch an die Dimension, wie sieht eigentlich unsere Innovationspipeline aus? Oder wie viel selbst initiierte Workshops, Austausch gibt es denn eigentlich? Und wie viel muss noch verordnet werden?

Nadja: Ja genau, verordnet. Oder brauche ich vielleicht gar nichts mehr verordnen? Ist der Grad der Verordnung geringer geworden? Deswegen sagte ich am Anfang wie viele Design Thinking Workshops finden in deinem Unternehmen statt? Wenn es viele sind, könnte man sagen, du interessierst dich für kreative Lösungen und bist dir bewusst, dass du deine Geschäftsmodelle ständig optimieren musst. Ja, dann würde ich sagen, lernende Organisation.

Aber vielleicht hapert es noch in der Teamzusammenarbeit und du hast noch nicht deine optimale Aufstellung. Oder du hast ein optimales Team, aber die anderen sind eher so, dass es nicht so läuft. Ja, dann ist es vielleicht noch nicht so ausgeprägt. Also da gibt es viele Stellschrauben, an denen man messen müsste, die dann zusammengefasst einen Wert ergeben täten. Ich glaube, es ist nur nicht so einfach. Es ist ein ganzes Systembild mit verschiedenen Kenngrößen, die man nutzen könnte und die sollte man auch im Blick haben.

Die verschiedenen Aspekte, die es braucht. Lernen von Einzelpersonen im Team, in einem Team-Verbund und vielleicht sogar noch über das Unternehmen hinaus.

Machen wir Safaris mit anderen Unternehmen? Schauen wir uns an, wie die das gestalten? Oft heißt es: “Sicher nicht. Dann wissen wir ja, was die machen!” Aber nein, die Magie beginnt, das Emergente sozusagen entsteht ja beim Tun und nicht, ob du jetzt einmal eine Momentaufnahme mit kriegst von dem Team. Aber das ist ja auch schon wieder eine Perspektivenfrage. Kann ich mir vorstellen, dass nur, weil ich sehe, wie man etwas macht, ich noch keinen Tau, von dem wie es wirklich gelingt, habe? Darum geht es ja eigentlich. Ich möchte ja, dass es gelingt. Das heißt, es wäre eigentlich ja noch eine Stufe weiter, wenn man in der Safari auch bespricht, mit dem Konkurrenzunternehmen könnten wir beide noch einen noch besseren Service für unsere Kunden erschaffen. Ich mache das schon so und du sagst mir aufrichtig, wie du das schon machst. Und dann schauen wir noch einmal, wo wir noch Potenziale heben könnten. Am Ende konkurrieren wir zwar, aber wir möchten beide Kunden begeistern.

Thomas: Diese Co-petition. Einerseits in bestimmten Geschäftsbereichen ist man ganz klar Konkurrent, in anderen Bereichen ist man Kooperationspartner. Ich finde das auch im technischen Umfeld ganz spannend. Also wenn ich mir zum Beispiel Apple und Samsung anschaue, die sind, was die mobilen Endgeräte angeht, ganz klare Konkurrenten. Bei der Chip-Fertigung hat aber Apple immer wieder auf Samsung zurückgegriffen. Das hat auch dadurch, was Apple von Samsung quasi verlangt oder eingekauft hat, dort zu Innovation geführt, die sicherlich auch sich irgendwo dann wieder in den Samsung Telefonen wiedergefunden haben. Das ist schon ein ganz spannendes Wechselspiel.

Würdest du sagen, es braucht so was? Weil ich habe den Eindruck, ich kann jetzt lange darauf warten, dass dieser Funke der Erkenntnis einer Organisation aus dem Nichts entsteht. Wir müssen mal anfangen alleine miteinander gemeinsam zu lernen. Braucht es so was wie ein Chief Learning Officer oder wer könnte da denn die Klammer drüber haben?

Nadja: Ja, man hat auch herausgefunden, dass wenn man solche Stellen kreiert, man leicht den Eindruck bekommen könnte, dass eine Person dafür zuständig wäre. Ist es nicht. Aber vielleicht ist es für viele ein erster Schritt, dem Thema so viel Gewicht zu geben, dass man sogar sagt wir haben einen Chief Learning Officer. Solange es nicht der oder die Einzige ist, die sich kümmern muss, sondern alle müssen sich kümmern. Das ist wirklich eine individuelle Sache.

Selbst der Geschäftsführer darf lernen. Und wenn ein Geschäftsführer, oder eine Geschäftsführerin sich nicht weiterbildet, dann ist das Unternehmen doomed. Heutzutage technologisch sowieso. Und ob du dann entscheidest, ich brauche eine Big Data Plattform oder ich brauche lernen.

Wie funktioniert Lernen in der Zukunft? Wie ist es jetzt und wohin wollen wir uns entwickeln? Das sind alles hochkomplexe Fragestellungen und mit dem Gelernten von vor 20 Jahren oder was auch immer, bist du dann nicht mehr gut aufgestellt. Das heißt, du könntest es auch messen inwieweit bildet sich die CEO des Unternehmens weiter? Das ist die Messgröße für die lernende Organisation.

Interview Thomas Fruehwein lernende Organisationen

Thomas: Genau, wie viele Stunden und Tage haben diese Menschen in wirklich konkreten Weiterbildungsmaßnahmen verbracht.

Nadja: Ja, dürfen sie YouTube nutzen? Dürfen Sie Masterplan nutzen? Dürfen Sie Semigator nutzen? Wie viele Lernplattformen dürfen alle Kollegen im Unternehmen nutzen?

“Nein, nein, das ist nur was für Führungskräfte bei uns.” Das ist noch nicht so lernend.
“Aber lernen geht ja bei uns nicht, weil manche unserer Mitarbeiter, die haben nur zwei Tage pro Jahr, wo sie eine einzige Schulung haben”. Alles klar, das ist wenig.
“Aber sagen wir ehrlich, die brauchen auch nicht so viel lernen, weil die Abläufe sind immer gleich und wir finden schwer Leute, die das, die diesen Job machen”. Wieso eigentlich? Vielleicht, weil man noch nicht mal was lernen darf in der Arbeitszeit.

Ich habe gestern einen guten über einen Flughafen Podcast gehört. Der Leiter der Gepäckschubfer am Flughafen hat gesagt, das dort ist Hochleistungssport. Und er ist seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, so dankbar, dass sie sich körperlich sozusagen so befähigen, natürlich in der Arbeitszeit. Sie haben tolle Ausstattungen und sie müssen regelmäßig alle Bewegungsabläufe lernen, damit sie dann auf Autopilot Höchstleistungen erbringen können, wenn die einzelnen Flugzeuge mit Gepäck per Hand beladen werden. Weil das wird nämlich nicht automatisiert. Das ist nicht der Prozess, der automatisiert werden wird. Spannend, oder?

Und das ist eine Wertschätzungsfrage. Gestehe ich meinen Kollegen und Kolleginnen, egal auf welcher Position sie gerade im Unternehmen sind, zu, sich weiterbilden zu dürfen? Egal ob körperlich, geistig, mental. Wie man es nennt, ist eigentlich egal. Das, was die Person gerade braucht, um Sinn zu spüren und Wert Wertbeiträge leisten zu wollen.

Thomas: Vielleicht müssen wir mal eine Fluggesellschaft finden, die ihren Fluggästen einen STANDARD Koffer vorschreibt, der dann automatisiert verladen werden kann.

Nadja: Ja, er sagte auch darum geht es gar nicht so richtig. Das Gepäckstück ist ja schon ziemlich genormt. Und er hat gesagt, es ist sogar gut, dass die einen den Rucksack nehmen und die anderen einen Cremona Koffer oder was auch immer haben, weil dadurch können sie die Lücken besser stopfen.

Ich habe auch zuerst gedacht es wäre ganz einfach, muss man ja nur normieren. Aber das wäre gar nicht erstrebenswert. Er hat gemeint es ist es gut, dass es viele verschiedene Formen gibt. Ja, also so viel dazu. Individuelles Lernen und das kann alles sein. Und wenn du meditieren lernen willst, dann ist das jetzt gerade für dein Wohlbefinden wichtig. Und dann bist du wahrscheinlich bessere Arbeit leisten, weil du was Wesentliches für dich Relevantes, durch deine Firma lernen durftest.

Thomas: Ich habe das von IBM mal mitbekommen. Da gab es auf einer Messe einen Vortrag, dass man dort auf einer Lernplattform offizielle Themen für das Individuum formuliert hat. Da wurden laut Stellenbeschreibung bestimmte Inhalte drauf gepackt. Das waren interne und externe Quellen. Also nicht nur das, was wir selber gebaut haben, Whitepaper und so weiter, sondern auch YouTube-Videos, Artikel und so weiter. Dann kamen noch ergänzende Themen dazu, die mit der jeweiligen Führungskraft abgesprochen waren.

Und es kamen sogar auch dann Lerninhalte dazu auf diese Plattform, die private Themen betreffen. Also Töpfern, Gitarre, spielen, Sport. Man hat festgestellt, dass durch diese Mischung und auch durch das Nutzen von internen und externen Quellen man eine unglaubliche Steigerung in der Bereitschaft hatte, überhaupt Zeit in die eigene Weiterentwicklung zu investieren. Also man hatte ursprünglich gesagt, jeder muss sich pro Woche eine gewisse Anzahl von Stunden dort auf dieser Plattform mit Inhalten beschäftigen. Und als man dann anfing, nicht nur interne, sondern auch externe und zusätzlich noch auch private Themen reinzunehmen, die auch übrigens anonym sind. Das weiß dann niemand, dass ich da jetzt gerade Töpfern lernen möchte oder was auch immer. Dann hat man festgestellt, dass die Bereitschaft zu lernen extrem nach oben gegangen ist und diese ursprünglichen Ziele in der Regel stark übererfüllt werden. Also die Leute lernen sehr gerne, wenn es denn dann auch die richtigen Inhalte sind, die sie begeistern können.

Nadja: Und da gibt es ja zum Beispiel von Haufe diese Möglichkeit. Die haben so viele Experten in verschiedensten Richtungen zusammengefasst und dann kann man sich wirklich das aussuchen, was einen gerade anspricht auf einer professionellen Lernplattform für ein Unternehmen. Ich weiß nicht, ob das alles abdeckt. Im Zweifel braucht man auch andere Quellen, wo man lernen darf.

Vielleicht Zugänge zu weiß ich nicht welchen Plattformen, aber ich hätte jetzt gedacht, zum Beispiel Spotify. Die einen hören gerne Hörbücher, dann kriegst du halt einen gratis Spotify Zugang und kannst dir alle Hörbücher anhören, die du immer schon mal hören wolltest. Oder Blinkist, oder es gibt ja viele Services heutzutage, die hochqualitativen Content liefern und Factfulness habe ich auch gehört. Und es ist so bereichernd, globale Studien zu hören, weil wir uns oft in unserem westlichen Kosmos in dieser Blase bewegen und von nix mitkriegen, von was in anderen Bereichen passiert. Und deswegen ja unbedingt groß denken und weiter lernen.

Thomas: Wenn ein Unternehmen eine lernende Organisation werden will, damit beginnt, was sind die ersten Erfolge, die sich als Erstes einstellen? Was würdest du sagen? Was sind deine Erfahrungen?

Nadja: Idealerweise, wenn du gute Bewertungen bekommst. Also wenn deine eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen anderen vorschwärmen, wie cool dieses Unternehmen ist. Ich würde sagen, das ist wahrscheinlich heutzutage im Empfehlungsbereich so das höchste der Gefühle.

Und natürlich, wenn du merkst einfach, dass deine Services vom Kunden angenommen werden. Wenn das jetzt schon so ist, ist natürlich optimal. Das heißt, du bekommst gutes Kundenfeedback auf Google oder du kriegst sogar O-Töne. Du bist direkt im Kontakt mit deinen Kunden und hörst jeden Tag, wie toll sie die Services schätzen, die man als Unternehmen anbietet. Also je mehr man davon hat, würde ich sagen, das ist das ultimative Qualitätskriterium und für neue Services, die vielleicht gerade ihrer Zeit voraus sind oder so, da braucht es natürlich ein Vertrauen darauf, dass wir, die die Intuition von den Leuten, die sagen ich habe mein Ohr am Kunden. Ich glaube, es könnte in diese und diese Richtung gehen. Man sagt ja auch, was wissen die Kunden schon, was sie morgen brauchen?

Nadja_Obenaus_lernende_Organisationen

Wir müssen mit künstlicher Intelligenz herangehen an die Sache oder die Spezialisten sozusagen, die Services weiter entwickeln lassen. Wir können den Kunden gar nicht fragen, denn  wir stellen Sachen zur Verfügung, die morgen begeistern werden und nicht heute. Also wir antizipieren Bedürfnisse. Das ist, glaube ich, noch mal die höchste Kunst.

Wir probieren das einfach und wenn es aufgeht, dann sind wir richtig gelegen. Und wenn es nicht aufgeht, dann haben wir halt diesmal daneben gegriffen, dann starten wir eine neue Initiative und bieten neue Services an. Ich glaube, das ist, was es braucht.

Thomas: Das, was du gerade ansprichst, wenn das, was wir tun, nicht funktioniert, dann starten wir eine neue Initiative. Das ist natürlich für Großunternehmen jetzt auch von der Größenordnung einer Siemens oder eines Google natürlich zu machen. Für kleine Unternehmen, 500, 600 Mitarbeiter, 1000 Mitarbeiter ist das natürlich immer gleich ein enormes Investment, ein riesiges Risiko.

Nadja: Nicht unbedingt. Wir müssen halt schauen, dass wir Initiativen starten, die überschaubar sind. Wir können natürlich nur dieses Risiko eingehen, das wir uns zumuten. Ja, also diese Experimente zu schnüren, das alleine ist eine Kompetenz, die wir lernen dürfen. Inwieweit kann ich mich aus dem Fenster lehnen? Und wenn es nix wird, dann halt nicht.

Auch mit Venture Capitaling, inwieweit wieweit investiere ich in Start-ups, die theoretisch floppen können? Weil seien wir ehrlich, nur eins aus zehn macht’s. Das heißt, ich muss damit rechnen, dass das in die Binsen geht. Aber das macht man heutzutage als lernendes Unternehmen, dass wir halt auch investieren, schauen, ob es Früchte trägt und im Zweifel trägt keine Früchte, dann ist das Investment natürlich verloren. Aber die Erkenntnis hoffentlich war das Investment wert, weil man hat ja im Zweifel wieder was gelernt, was man wieder fürs nächste dann einsetzen kann.

Thomas: Genau. Also da sehe ich auch den großen Vorteil einer lernenden Organisation, dass zum einen nicht einer immer der Schlauste sein muss, der dann auch nachher die Verantwortung trägt. Im Zweifel der C-Level. Der Vorstand hat entschieden, obwohl er schon lange nichts mehr operativ mit den Kunden direkt zu tun hatte. Und die Organisation darf lernen, da eine gewisse Sicherheit, Resilienz zu erreichen, damit in Zukunft vielleicht schneller bessere Entscheidungen getroffen werden oder auch mehr Informationen an den einzelnen Schnittstellen zurückfließen, um einen besseren Entscheidungsprozess herzustellen.

Was sind die Stolperfallen? Also ich denke zum Beispiel, wir hatten ganz kurz im Vorgespräch mal über ein Thema gesprochen. Der erfolgreiche Vertriebler, der sich dagegen wehrt, sein Wissen, Wissen ist ja Macht, ins CAM-System zu übertragen, weil er sagt: Was bleibt mir dann noch? Also wie geht man bei solchen Themen lernende Organisation eigentlich mit Menschen um, die nicht mitmachen? Nicht mitmachen wollen oder sogar vielleicht aktive Quertreiber sind? Was ist da so deine Erfahrung?

Nadja: Am besten wertschätzend. Wie immer. Ja, zu sagen: Hey, ich kann total nachvollziehen, in welcher Position du dich befindest und wieso das im im jetzigen System noch Sinn macht, das für dich zu behalten. Die Zeiten haben sich allerdings verändert. Das Unternehmen verändert sich gerade und wir brauchen Leute, die sharen. Sharing Economy heißt es nicht umsonst. Du kannst dir sicher sein, du bist so wertvoll, wie du jetzt für diese Firma bist, auch wenn du dein Wissen teilst. Das hat nämlich damit nichts zu tun. Das ist ab jetzt nicht mehr Macht. Sondern Macht ist, wenn wir gemeinsam den Kunden gut bedienen können. Und ihr werdet auch nicht mehr danach bezahlt, nach Einzelleistungen. Ihr werdet nach Teamleistung bezahlt. Ziele werden auf Teamziele umgewandelt.

Das sind dann die Strukturen, die du schon angesprochen hast, die geschaffen werden müssen. Und wenn der Vertriebler weiterhin seine Provision auf Einzelleistung bekommt, dann ist natürlich nachvollziehbar, dass diese Person dann auch versucht für sich das Beste raus zu holen. Das macht ja auch am meisten Sinn, das wäre ja sonst geschäftsschädigend für sich selbst.

Ja und dass man den Rahmen so schafft, dass die Person idealerweise auch zum Teamplayer wird und versteht: es ist keine one-man, keine one-woman-Show und du wirst danach auch nicht entlohnt, zum Beispiel.

Es gibt aber auch Leute, man sagt 3 Prozent, die werden nicht mitziehen. Die wollen gerne individuell entlohnt werden und die wollen gerne alleine alles abrufen, weil sie sowieso glauben, sie sind alleine genug und können den Kunden sowieso am besten bedienen und so. Also es gibt diese Überzeugungen, da möchte ich die Leute auch gar nicht davon abbringen. Das ist ihr gutes Recht, diese Überzeugung zu behalten. Aber die, die gerne mit dem Unternehmen in die Zukunft gehen möchten, die können sich auch mit sharing-is-caring-Prinzip anfreunden.

Thomas: Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Lernende Organisation, Mainstream oder Nischenthema? Was würdest du sagen?

Nadja: Mainstream! Also hey, es geht nur darum, dass wir gemeinsam die Services rocken. Keiner kann alleine den besten Kundenservice liefern. Das ist vorbei. Es ist definitv eine “co-petition” und definitiv nur können wir nur gemeinsam Begeisterungsstürme entfachen.

Thomas: Erfolg ist eine Teamleistung, habe ich mal irgendwo dazu gelesen.

Nadja: Yes, immer! Im Sport, in der Wirtschaft, im Privaten, überhaupt.

Thomas: Ja, man sieht das auch bei Olympia. Wenn man sich anschaut, da ist ein Mensch im Wasser. Aber das ganze Team dahinter, was das möglich gemacht hat. Aber man sieht nur diesen einen Menschen im Wasser und der wird dann in der Regel auch gefeiert oder halt auch nicht gefeiert.

Nadja: Genau. Und da zeigt sich dann der Charakter, wenn ich sage ich danke zuerst allen, die das ermöglicht haben. Und ich freue mich super, dass ich das Abrufen habe können heutzutage. Da gehört ja auch was dazu, wenn man die oder der im Rampenlicht ist, das dann aus dem Training in den Wettkampf zu übertragen. Und gleichzeitig wertzuschätzen, was es alles braucht, dass man an dem Tag seine Leistungen abrufen kann. Das ist dann der Teamerfolg und dann kann man hoffentlich gemeinsam feiern.

Es gibt Leute, die zu mir sagen: Im Feiern bin ich nicht so gut. Ich sage aber, das Feiern gehört zu lernenden Organisationen dazu. Es ist wichtig, dass wir würdigen, was wir gemeinsam geschaffen haben. Und wenn du nicht feierst, dann bist du auch keine gute Führungsperson, weil du leider nicht diese Zwischenschritte würdigst. Es ist so leicht zu sagen: “Danke, dass du das gemacht hast. Das habt ihr schön gemacht.”

Aber es ist was anderes. Ob wir das zelebrieren, dass wir sagen: Jetzt schauen wir uns das mal an, was wir alles geschaffen haben. Und vielleicht laden wir noch unsere Kunden ein und machen mal was Größeres draus und nehmen uns Zeit, das auch zu würdigen. Zusammenzusitzen, Geschichten zu erzählen, anzustoßen, mit alkoholfrei, keine Ahnung. Es muss ja kein Gelage werden. Aber einfach ordentlich zu feiern, dass das wieder stattfindet bei uns und nicht bamm, bamm, bamm, ein Projekt jagt das andere und vor lauter Schnelligkeit kann ich dazwischen überhaupt nichts mehr zelebrieren.

Thomas: Das heißt innehalten und mal drauf schauen.

Nadja: Ja, richtig, genau.

Thomas: Und das ist ja dann auch wieder lernen. Was ist eigentlich gut gelaufen und was machen wir beim nächsten Mal anders?

Nadja: Ja. Übrigens, wenn ich nach unten schaue, es ist nicht so, dass ich nicht präsent bin, sondern ich sketche immer gern mit während dem Gespräch. Wollte ich vielleicht nochmal dazu sagen. Jetzt so zur Erklärung. Ein Geschenk für dich. Du bekommst natürlich auch deine Sketchnote, Thomas.

Thomas: Danke. Aus meiner Sicht sind wir am Ende. Ich habe einen guten Überblick für mich selber über das Thema lernende Organisationen mit vielen, vielen Facetten bekommen. Auch was deine ganz persönliche Sicht darauf ist, was dir persönlich wichtig ist. Und ja, ich bin gespannt, wie sich das Thema entwickelt.

Ich selber habe den Wunsch, dass es viel, viel mehr in Unternehmen passiert, habe gleichzeitig die Befürchtung, dass es immer wieder den operativen, scheinbar wichtigeren Themen untergeordnet wird und deswegen irgendwann eine unglaubliche Wissensnot entsteht, weil Unternehmen feststellen: Verdammt, das hätten wir gestern alles wissen müssen. Und dann entsteht wieder diese klassische Hektik in Organisationen, dass man dann versucht, schnell, schnell aufzuholen. Und ich glaube, es ist so ähnlich wie bei einer Unternehmenskultur, die einem wirklich hilft. Es lässt sich nicht mal eben schnell aufbauen  oder kaufen, sondern es ist etwas, was man nur gemeinsam entwickeln kann.

Nadja: Richtig. So oder so, wir werden sie entwickeln und alle anderen Unternehmen werden nicht mehr relevant sein.

Thomas: Ein schönes Schlusswort. Nadja, danke dir! Danke für deine Zeit und danke auch immer für deine Energie, für deine sprühende Energie. Bleib so engagiert in deinem Thema, wie du es bis jetzt bist und wir bleiben in Kontakt.

Nadja: Das machen wir, lieber Thomas, herzlichen Dank für die Einladung.